„Wir wollen die Auszu­bildende auf solche Ausnahme­situationen vorbereiten“
Rettungsdienste
Übung am „1. Interdisziplinären Ausbildungs- und Rettungskräfte-Tag“ an der Grillhütte in Bad Schwalbach / Wichtige Erfahrungen und ein „Tunnel-Blick“ / Von Anna Broy organisiert
Übung am „1. Interdisziplinären Ausbildungs- und Rettungskräfte-Tag“ an der Grillhütte in Bad Schwalbach / Wichtige Erfahrungen und ein „Tunnel-Blick“ / Von Anna Broy organisiert
„Eine solch umfangreiche Schadenslage haben wir in unserer Ausbildung noch nie erlebt; weder in Theorie, noch in der Praxis“, erzählt Franziska Besier. „Solche Übungen sind deshalb von enormer Bedeutung und Wichtigkeit“, ergänzt Emily Späth und so fuhren die Drei „mit einer äußerst angespannten Erwartung zum Einsatzort“, berichtet Marvin Krause. „Von einer solch praxisnahen Übungen können wir viel lernen“, erklärt Franziska Besier. Die drei Genannten befinden sich in der Ausbildung zum Notfallsanitäter, lernen die Praxis kennen und fahren schon auf Rettungswagen mit. Für den 1. IDAR-Tag im Rheingau-Taunus-Kreis, den „1. Interdisziplinären Ausbildungs- und Rettungskräfte-Tag“ in Deutschland, hatte sich Anna Broy mit der Unterstützung vom Sachgebietsleiter „Rettungsdienst“ im Fachdienst „Brand-, Katastrophenschutz und Rettungsdienst“ der Kreisverwaltung, Oliver Schütz, sowie der Feuerwehr Bad Schwalbach für die insgesamt 12 Auszubildenden ein spezielles Übungs-Szenario ausgedacht.
Auf dem engen Weg zur Grillhütte der Stadt liefern sich zwei Autofahrer ein Wettrennen. Im Umfeld der Hütte rasen sie in eine Gruppe Erwachsener, Kinder und Jugendlicher. Beim Ausweichmanöver kippt eines der Fahrzeuge um, das andere kollidiert mit einem großen Steinbrocken. Mehrere Verletzte werden gezählt. Es gibt eine große Anzahl an traumatisierten Personen, die den Vorfall miterlebten, weshalb das Team der Notfallseelsorge alarmiert wird. „In dieses ‚Chaos‘ kommen die Notärzte und Notfallsanitäter, aber auch die Feuerwehr. Die Lage erkunden, analysieren und die richtigen Rettungsmaßnahmen einleiten - das sind die primären Aufgaben jetzt“, berichtet Anna Broy. „Um diese Unfall-Situation noch realistischer wirken zu lassen, arbeiten wir auch mit Pyro-Technik“, berichtet sie. Für die realitätsnahen Effekte mit Bengalos, Brandpaste und Rauchpulver sorgt Christian Walter, der sich eineinhalb Stunden Zeit für das Präparieren nahm.
Eine solche Überraschung muss auch der Notarzt erst einmal verarbeiten. Als er sich dem qualmenden Auto nähert, um zu erkunden, wie viele betroffene Personen sich darin befinden und um den Grad der Verletzungen zu erkunden, gibt es eine kleine Explosion, die ihn und sein Team erst einmal zurückschrecken lässt. Bei den Auszubildenden zum Notfallsanitäter - deren Ausbilder ihnen zur Seite stehen - hat Anna Broy da bereits den bekannten „Tunnel-Blick“ festgestellt. „Sie sind schon vollkommen konzentriert, haben ihre ‚Patienten‘ im Auge und rufen das Gelernte ab, um Erste Hilfe zu leisten und somit auch das Leben der Verletzten zu retten“, sagt die Organisatorin. Die stark geschminkten ‚Patienten‘ spielen derweil ihre Rolle mit Präzision; sie stöhnen und schreien. Oliver Schütz: „Die Schwere der Verletzung lässt sich an der Farbe der Bändchen am Handgelenk der Patienten erkennen.“
Selbst an die „ungeliebten und verpönten Gaffer“ und deren Störungen hat Organisatorin Anna Broy gedacht: „Leider gibt es mittlerweile auch schon bei kleinen Einsätzen Gaffer, die die Rettungsmaßnahmen stören und die Rettungskräfte nicht nur verbal angreifen“, weiß sie: „Wir wollen die Auszubildende auf solche Ausnahmesituationen vorbereiten.“
Mittlerweile hat sich der Weg zum „Unfallort“ an der Hütte mit Fahrzeugen von Rettungsdiensten, von der Bad Schwalbacher Feuerwehr und der Polizei gefüllt. „Dass es dabei nicht gerade geordnet zuging, ist uns aufgefallen. Zudem ist vermerkt, dass eine verletzte Person im Auto erst übersehen wurde“, betont Schütz, der auch Beobachter eingesetzt hat: „Wir wollen die Abläufe überprüfen. An welchen Stellen gibt es für unser Einsatzkonzept Notfallversorgung in der Praxis Verbesserungsmöglichkeiten? Wo sind zum Beispiel Änderungen notwendig, damit sich im Ernstfall die Einsatzfahrzeuge nicht gegenseitig bei An- und Abfahrt blockieren.“ Schließlich geht es „bei einem Notfall um jede Sekunde“, muss jeder Handgriff sitzen und das Zusammenspiel der Einsatzkräfte von verschiedenen Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei einwandfrei klappen.
„Wir dokumentieren, was positiv verlief und wo es Fehler gab, um noch besser zu werden. Das wird in einer Nachbesprechung analysiert“, betont Schütz, der aber auch ausdrücklich lobt: „Die Notfallsanitäter erkannten bei einem Patienten einen Milzanriss und haben ihn darauf richtig behandelt.“ Bei der Analyse wird auch der Film des Teams vom DRK Rhein-Main-Taunus sein. Sie drehten während der Übung „in offizieller Mission“.
Organisatorin Anna Broy, die wegen der Premiere des Tages ganz aufgeregt war, freute sich am Ende über eine gelungene Übung: „Es hat fast alles geklappt. Wir konnten wichtige Erkenntnisse aus der Übung ziehen. Es war eine gute Werbung für den noch recht jungen Ausbildungsberuf des Notfallsanitäters sowie eine Wertschätzung für jene, die den Beruf ausüben.“
Eine Einschätzung, die auch Landrat Frank Kilian teilte, der sich zunächst einmal bei Anna Broy und Oliver Schütz für die Idee, die Planung und die Durchführung des bisher einmaligen „Interdisziplinären Ausbildungs- und Rettungskräfte-Tages“ bedankte. „Solche Übungen sind von großer Bedeutung, um geschriebene Konzepte auf ihre Praktikabilität in einer fast realen Situation überprüfen zu können. Solche Übungen sollten wir in zeitlichen Abständen wiederholen“, so Landrat Kilian, der der Übung als Zuschauer beiwohnte. Auch die Auszubildenden zeigten sich am Ende beeindruckt: „Wir konnten unser Wissen unter fast realen Bedingungen anwenden. Aus den Fehlern lernen wir!“, erklärten Franziska Besier und Marvin Krause.