„Wir werden uns nicht aus­bremsen lassen“

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Kleine Darstellung

Gleichbe­rechtigungs­politik: Rita Czymai blickt auf 25 Jahre zurück / Veränderte Rahmen­bedingungen in der Gesel­lschaft fordern ein neues Denken

Gleichberechtigungspolitik: Rita Czymai blickt auf 25 Jahre zurück / Veränderte Rahmenbedingungen in der Gesellschaft fordern ein neues Denken

„Wir werden uns nicht ausbremsen lassen“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Rheingau-Taunus-Kreises, Rita Czymai, am Ende des Gespräches und unterstreicht damit, dass Gleichberechtigung in Deutschland auch im 21. Jahrhundert immer noch nicht wirklich erreicht ist. Denn: „Die veränderten Rahmenbedingungen in der Gesellschaft erfordern ein neues Denken und ein darauf abgestimmtes Konzept mit Lösungen.“ Doch letztlich bleibt für viele das Thema Gleichberechtigung noch immer „ein rotes Tuch“, würden einige die Erfolge und Ergebnisse auf diesem Gebiet heute gerne wieder revidieren. Rita Czymai betreibt Frauen- und Gleichstellungspolitik – zunächst in Taunusstein, dann im Kreis und stets auf Landesebene – seit den Anfängen vor 25 Jahren.

1990 schuf Taunusstein als erste Kommune im Kreisgebiet die Stelle einer Frauenbeauftragten und besetzte sie mit Rita Czymai. „Im Studium hatte ich mich bereits mit dem Thema Frauenpolitik intensiv beschäftigt.“ In ihrer Magisterarbeit verglich sie die Zentralstelle für Frauenfragen in Hessen mit der Einrichtung in Rheinland-Pfalz. „Damals gab es erste zaghafte Versuche, die Frauenfrage in der Politik und der Gesellschaft zu verankern.“ Anfang der achtziger Jahre steckte die Frauenpolitik noch in den Kinderschuhen. Auch im Rheingau-Taunus-Kreis blieb es 1984 bei der Gründung einer Kommission für Frauenfragen. Zwei Jahre später sollte innerhalb der Kreisverwaltung eine Stelle geschaffen werden, was misslang. Man einigte sich auf die Berufung einer Gleichstellungsbeauftragten und die wurde Hilde Dyllong.

Fortschrittlicher ging es da in Taunusstein zu. Die 1990 regierende rot-grüne Koalition einigte sich darauf, eine Frauenbeauftragte zu berufen und ihr für ihre Arbeit eine halbe Stelle bereitzustellen sowie eine Mitarbeiterin mit halber Stelle. „Es gab damals eine Aufbruchstimmung in der Stadt und im Land Hessen, das damals das Gesetz über die Gleichstellung von Männern und Frauen und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung verfasst hatte“, erinnert sich Rita Czymai. Doch nicht alle Parteien unterstützten das Gesetz. „In Taunusstein waren wir aber gut vorbereitet und fortschrittlich, was an Bürgermeister Gerhard Hoffmann und der rot-grünen Koalition lag, die 1990 neben der Stelle der Frauenbeauftragten auch ein Umweltamt einrichtete.“

Rita Czymai: „Doch ganz ohne Widerstände ging es damals auch nicht.“ Es sollte ein Frauenförderplan für die Stadtverwaltung aufgestellt werden, gegen den sich Teile der Verwaltung aber auflehnten. Aus Datenschutzgründen könne man die Daten nicht herausgeben, wie die Gegner anführten. Doch die neue Frauenbeauftragte bewies Standfestigkeit und beharrte auf die Herausgabe. Der Widerstand war schnell überwunden. „Wenn ich massiv wurde, habe ich meine Ziele erreicht.“ Sie organisierte insgesamt sieben Frauenforen und warb intensiv für die Intention ihrer Aufgabe. Wegen des Umfangs der Aufgabe wurde die Arbeitszeit ihrer Stelle erhöht.

„Natürlich habe ich mich immer wieder mit Aussagen konfrontiert gesehen, wie ‚Wir brauchen nun auch einen Männerbeauftragten‘“, erzählt Rita Czymai. Geduldig habe sie versucht, jenen Kritikern deutlich zu machen, dass Gleichberechtigung ein anderes Ziel verfolgt, nämlich: „Es geht mir darum, beide Geschlechter zu fördern und sie nicht gegenseitig auszuspielen.“ Es sei nicht richtig, dass Frauen- und Mädchenpolitik zu Lasten der Jungen und Männer geht. „Wenn wir in unserer Gesellschaft Defizite erkennen, ob es nun Frauen oder Männer betrifft, dann müssen wir handeln und das jeweilige Problem angehen und lösen.“ Mit dem Girls’Day versuchen wir männerdominierte Berufe auch für Mädchen interessant zu machen. Andererseits könnte es auch sinnvoll sein, dass sich Männer verstärkt in die Erziehungsarbeit – sowohl in der Familie wie in Kindergärten und Grundschulen – einbringen.

Das sind Beispiele für aktuelle Fragestellungen, die Rita Czymai auch heute noch beschäftigen, da sie ihr Tätigkeitsfeld in die Kreisverwaltung in Bad Schwalbach verlegte. Landrat Burkhard Albers berief sie 2009 zur Gleichstellungsbeauftragten für den Kreis. Viele weitere Themen sind in den vergangenen Jahren hinzugekommen. „Wie gehen wir mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf um?“, fragt sie. Wenn Mann und Frau einer Familie berufstätig sein wollen, muss die gesellschaftliche Infrastruktur angepasst werden. Dann müsse es Betreuungsangebote für Kinder als auch für Pflegearbeit innerhalb der Familie geben, die wiederum zu finanzieren sind. „In dieser Frage muss auch die Wirtschaft ihre Verantwortung erkennen und zu Lösungen beitragen“, sagt sie. In diesem Zusammenhang nennt sie auch das Thema „Alleinerziehende“, das wiederum beide Geschlechter betrifft. „Wenn ich als Vater oder Mutter alleinerziehend und berufstätig bin, geht es immer wieder um die Frage, wie werden meine Kinder betreut, wenn ich arbeiten muss“, so Rita Czymai.

Eine weiteres Thema liegt ihr sehr am Herzen: Häusliche Gewalt. Und sie bezieht eindeutig Stellung: „Gewalt ist keine Privatsache!“ Wenn Ehemänner oder Partner gegenüber ihren Frauen Gewalt ausüben, dann muss dies sanktioniert werden, um Veränderungen zu bewirken. „Im Arbeitskreis ‚Häusliche Gewalt‘ sorgen wir dafür, dass das Thema öffentlich diskutiert wird.“

Doch diese Arbeit wird immer schwieriger. In Zeiten der Schutzschirm-Debatte und der Einsparungen werde gerade der Versuch unternommen, solche Projekte auszubremsen. „Es ist immer weniger Geld da, wenn es um die Finanzierung solcher Maßnahmen geht“, betont Rita Czymai. „Wir müssen klären, ob wir Gewalt tolerieren wollen, weil wir lieber die Finanzen für die wichtige Projektarbeit einsparen wollen!“, sagt sie und plädiert dann dafür: „Wenn Gewalt in unserer Gesellschaft vorherrscht, dann ist es unsere Pflicht dagegen einzuschreiten und dies geht nun mal nicht ohne die finanzielle Unterstützung.“ Dass es Gelder für die wichtige Arbeit und die gesetzlichen Grundlagen gibt, dafür wird Rita Czymai auch weiter kämpfen.