„Um 14.30 Uhr übernehme ich einen Bus der Linie 18“

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Haitham Sabrins Odyssee führte ihn von Damaskus über die Balkan-Route nach Taunus­stein / Jetzt fährt er für ESWE Fahrgäste durch Wiesbaden / „Ich habe eine Chance bekommen, die ich nutzen will“

Haitham Sabrins Odyssee führte ihn von Damaskus über die Balkan-Route nach Taunusstein / Jetzt fährt er für ESWE Fahrgäste durch Wiesbaden / „Ich habe eine Chance bekommen, die ich nutzen will“

In Damaskus war Haitham Sabrin zwölf Jahre als Marketing-Fachmann tätig, bis er sich im Internet regierungskritisch äußerte und „von einem Moment auf den anderen das Land mit meiner schwangeren Frau verlassen musste“. Damit begann die Odyssee, die das Ehepaar in die Türkei und anschließend über die Balkan-Route nach Deutschland und dann in die damalige Notunterkunft in der Silberbachschule in Taunusstein führte. „Bei unserem ersten Versuch, von der Türkei nach Griechenland überzusetzen, sank das überfüllte Plastik-Boot schon nach wenigen Minuten“, erzählt der 37-Jährige Syrer: „Wir konnten glücklicherweise zurückschwimmen und uns retten.“ Der zweite Versuch gelang dann, obwohl „ich große Angst hatte“. Sabrin: „Eigentlich wollten wir zu der Familie meiner Frau in Holland.“ Doch Umstände an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland sorgten dafür, dass der 37-Jährige 2015 in den Rheingau-Taunus-Kreis kam.

Als ihn am Mittwoch Katarina Ludwig-Pfaff vom Kommunalen JobCenter in Bad Schwalbach zur bestandenen Prüfung zum Busfahrer im Linien-Verkehr und damit seiner neuen Stelle bei ESWE Verkehr gratuliert, strahlt Haitham Sabrin mehr nach innen. „Er ist sehr zurückhaltend, freut sich mehr nach innen. Aber er ist stolz und glücklich seinen Berufsplan erfolgreich umgesetzt zu haben“, sagt Katarina Ludwig-Pfaff, die den Syrer seit Januar 2017 betreut: „Er und seine Frau waren von Beginn an zielstrebig, aktiv und eifrig beim Deutschlernen.“ Ungeduldig wartete Sabrin davor auf sein „Interview in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen“. „Ich wollte etwas tun, arbeiten“, sagt der 37-Jährige. Als dann die Aufenthaltsgenehmigung vorlag, begann das Ehepaar einen Kurs in Wiesbaden zu belegen.

Schnell bestanden beide den Sprachkurs B1 und auf einer der Rückfahrten von Wiesbaden nach Taunusstein kam es zu einer besonderen Wendung. Sabrin: „In der Pause des Busfahrers kamen wir ins Gespräch. Der Busfahrer fragte, was ich mache, welchen Beruf ich in Syrien ausgeübt habe. Ich berichtete es ihm.“ Irgendwann fragte der Fahrer, inzwischen ein Freund der Familie: „Warum willst Du nicht Busfahrer werden? Du kannst Dein Deutsch verbessern, weil Du es immer wieder sprichst, bist mit Menschen in Kontakt.“ Eine Idee war geboren.

„Haitham Sabrin hat dann mit Freunden gesprochen, sich einen genauen Plan gemacht, wie er seinen Berufswunsch realisieren will und kam dann zu mir, um mit mir seinen Berufswunsch zu besprechen“, erinnert sich Katarina Ludwig-Pfaff. „Insgesamt habe ich mich bei sechs Firmen beworben“, sagt der Syrer. Exakt prüfte er alle möglichen Arbeitgeber, stellte Vor- und Nachteile gegenüber und entschied sich für ESWE Verkehr, und dort hat man die Einstellung des Syriers nicht bereut. „Schon nach drei, vier Wochen sehe ich, ob ein Fahrschüler eine Mentalität hat, sich für die Arbeit im ESWE-Linienverkehr eignet“, erläutert Horst Frick, Fahrschulleiter bei ESWE, der vielen Fahrschülern schon das „kleine und das große Einmalseins“ des Linienverkehrs in Wiesbaden und von ESWE mit 700 Busfahrerinnen und -fahrern, 220 Bussen, 44 Linien und unzähligen Haltestellen beigebracht hat.

„Unsere Fahrer müssen nicht nur wissen, was ein Federspeicherbremszylinder ist, sondern auch einen Gelenkbus durch enge Straßen manövrieren können. Sie sollen Fahrgäste erklären, mit welchen Linien sie zu ihrem Ziel gelangen“, so Frick. Dafür sind gute Deutschkenntnisse Einstellungsvoraussetzungen. Des Weiteren haben die Busse unterschiedliche Ausrüstungen, die einzelnen Tarife müssen die Fahrer im Kopf haben, den Automaten dafür bedienen und die Codes im Funkverkehr kennen. Hinzu kommen viele weitere Details, die in der Ausbildung gelehrt werden, wozu gerade auch die Sicherheitsunterweisungen mit der Polizei zählen. „Dabei lernen unsere Beschäftigten, wie sie bei Auseinanderaussetzungen im Bus deeskalierend auf unsere Kunden einwirken sollen“, so der ESWE-Fahrschulleiter. Diese vielschichtige Ausbildung mündet in einer Prüfung bei der IHK, die Haitham Sabrin nun erfolgreich bestand. Im Fahrunterricht geht es darum, bei Gelenkbussen den richtigen Punkt beim Einlenken zu beachten oder eine Haltestelle sicher anzufahren.

„Nun darf ich selbst fahren. Um 14.30 Uhr übernehme ich einen Bus der Linie 18 “, freut sich der 37-Jährige auf sein Berufsleben als Busfahrer. „Ich habe sehr nette und hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen hier bei ESWE, die mir die Eingewöhnung erleichtern. Auch von dem Unternehmen bekomme ich jede Hilfe und Unterstützung die ich brauche. Ich sehe meine Zukunft hier bei ESWE Verkehr“, betont er mit Nachdruck. Voller Stolz zeigt Haitham Sabrin seine Uniform. Seinen beruflichen Neuanfang sieht der Familienvater positiv: „Ich hätte auch bei meinem alten Beruf als Marketingfachmann in Deutschland bei null anfangen müssen.“ Er wolle arbeiten und sich integrieren. „Ich fühle mich in Taunusstein heimisch. Mein Sohn, meine Frau und ich haben Freunde gefunden“, so der 37-Jährige. Die Chance, die ihm geboten wurde, will er nutzen. Bei ESWE hat Sabrin einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben, wie dort üblich. Wenn er sich bewährt, erhält er einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Abschließend bedankt sich Haitham Sabrin bei Katarina Ludwig-Pfaff vom JobCenter und Michael Krebs, stellvertretender Serviceleiter im JobCenter in Bad Schwalbach. „Ohne die großartige Unterstützung von Frau Ludwig-Pfaff wäre ich nicht so weit gekommen“, betont er abschließend.

Prüfung bestanden: Jetzt darf der ehemalige syrische Flüchtling Haitham Sabrin (links) selbst ans Steuer der ESWE-Busse. ESWE-Fahrschulleiter Horst Frick ist zufrieden.