„Spracherwerb braucht seine Zeit“

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Soziales

„Allianz für Menschlich­keit“ tagte im Kreis­haus / Erfahrungs­austausch über Pro­jekte und Initia­tiven

„Allianz für Menschlichkeit“ tagte im Kreishaus / Erfahrungsaustausch über Projekte und Initiativen

Der Austausch von Informationen, von Meinungen und Erfahrungen – das soll die Lenkungsgruppe „Allianz für Menschlichkeit“, in der Vertreter der Wohlfahrtsverbände, der Wirtschaftskammern, der Fraktionen des Kreistages, der Kreisverwaltung und der Polizei sitzen, leisten. „Die ‚Allianz für Menschlichkeit‘ versteht sich als eine Plattform, auf der über die vielfältigen Projekte und Initiativen von unterschiedlichen Anbietern in unserer Region berichtet wird, die wiederum der Integration von Flüchtlingen dient“, betont Landrat Burkhard Albers und weiter: „Wir im Kreis brauchen eine Struktur und Einblicke, um zu wissen, wer macht was, um eng zusammenarbeiten zu können und natürlich auch bereits vorhandene Erfahrungen im Gespräch austauschen zu können.“

Erfahrungen und – teilweise – überaus persönliche Erlebnisse, die die Arbeit von Mahnaz Avijgan in den vergangenen Wochen prägten. Die Diplom-Sozialpädagogin und Therapeutin ist im Projekt „Mobile Beratung und Therapie mit Flüchtlingen in der Muttersprache Farsi und Dari“ der AWO in Idstein eingesetzt. „Viele Flüchtlinge benötigen eine psycho-soziale Beratung und Betreuung, weil sie traumatisiert sind, durch schreckliche Erlebnisse in ihrer Heimat und auch auf der Flucht“, so Mahnaz Avijgan: „Und nun – im Aufnahmeland – ist vieles Neu und Ungewohnt, so dass das Zurechtfinden, das Eingewöhnen natürlich zunächst schwer fällt.“

„Die Flüchtlinge stehen dann direkt vor neuen unerwarteten Herausforderungen“, ergänzt AWO-Geschäftsführerin Patricia Esposito. In ihrer Heimat gingen die meisten einem Beruf nach und hatten ihre Aufgaben im Leben. Hier stehen sie vor dem Nichts und müssen von ganz vorne anfangen, sich an Sprache, kulturelle Unterschiede und verschiedene Vorstellungen gewöhnen. „Dies alles stellt für sie eine psychische Belastung dar und kann zu psychischen Erkrankungen führen“, so die Sozialpädagogin, die durch die Mitarbeit und Unterstützung der ehrenamtlichen Paten in der Flüchtlingsarbeit in Idstein und Umgebung erfährt, wo Beratungsbedarf sowohl auf Seite der Paten, als auch auf Seiten der Asylsuchenden besteht. Mahnaz Avijgan sucht dann die Flüchtlinge auf, um mit ihnen zu sprechen.

„Die mobile Beratung hat sich gut etabliert. Die Beratungssuchenden hätten von sich aus offizielle Stellen nicht um Unterstützung gebeten.“, betont die AWO Geschäftsführerin. Denn die fehlenden Sprachkenntnisse in Zusammenhang mit psychischen Befindlichkeiten führten zu Rückzug und Inaktivität, was Mahnaz Avijgan an einem Beispiel verdeutlichte: „Eine Frau war nicht mehr in der Lage, aufgrund ihrer eigenen psychischen Probleme ihren 9jährigen Neffen weiter bei sich zu behalten! Durch Gespräche und danach eine räumliche Trennung von Kind und Erwachsener konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Zudem konnte die mobile Beratung dafür sorgen, dass Beratungssuchende an muttersprachliche Psychologen verwiesen wurden.

Landrat Albers: „Nachdem wir als Kreis im ersten Schritt dafür gesorgt haben, dass die Flüchtlinge, die zu uns kamen, eine Unterkunft erhielt, geht es nun darum diesen Menschen eine berufliche Perspektive aufzeigen zu können und dafür die Voraussetzungen zu schaffen.“ Eine Aufgabe, der sich die IHK sofort verpflichtet fühlte, wie Christine Lutz, Geschäftsführerin für den Bereich Aus- und Weiterbildung der IHK-Wiesbaden. Sie berichtete von einem Projekt für 19 junge Flüchtlinge, das durch Spenden von Unternehmen der Region möglich wurde. Sie sollen mittels Kursen und Praktikumsphasen in den Unternehmen in die Lage versetzt werden, in ein Ausbildungsverhältnis zu kommen.

Es seien viele Faktoren zu berücksichtigen, wenn es darum geht, Flüchtlingen eine Ausbildung zu ermöglichen. Doch letztlich gelte es, die vielen, sehr unterschiedliche Faktoren zu berücksichtigen. Oder wie es hieß: „Spracherwerb braucht seine Zeit. Die Lerngeschwindigkeit ist bei jedem individuell sehr unterschiedlich.“ Der wichtigste und ganz entscheidende Faktor bleibe aber im Endeffekt immer wieder die vorhandenen Sprachkenntnisse, was letztlich für die Teilnehmer bedeutete, dass es mehr Sprachkurse geben muss. Eine Auffassung, die auch Michaela Bachmann vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft machte. Sie berichtete über die Kooperation der Handwerkskammer Wiesbaden und dem Bildungswerk beim Landesprojekt „Wirtschaft integriert“ – Berufsorientierungsmaßnahmen für Flüchtlinge.