Programm InteA „Integration durch An­schluss und Abschluss“ hat sich bewährt

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Eine erste Bilanz: InteA-Klassen an den Beruf­lichen Schulen Untertaunus / Von fast 150 Jugendlichen in der Spitze auf 34 aktuell / Die Erfahrungen aus der Praxis werden aufgenommen

Eine erste Bilanz: InteA-Klassen an den Beruflichen Schulen Untertaunus / Von fast 150 Jugendlichen in der Spitze auf 34 aktuell / Die Erfahrungen aus der Praxis werden aufgenommen

Es ist merklich ruhiger im Gebäude der Beruflichen Schulen Untertaunus (BSU) geworden, in dem die InteA-Klassen untergebracht sind. „Zu Hochzeiten zählten wir fast 150 Schülerinnen und Schüler in acht InteA-Klassen. Aktuell sind es gerade noch 34 Schülerinnen und Schüler“, erzählen die Abteilungsleiterin und Lehrerin Silke Pauly und die Sozialpädagoginnen Sabine Wüchner und Rebecca Fink. Mit den Hochzeiten sind die Jahre 2015 und 2016 gemeint, in denen eine Vielzahl an Flüchtlingen auch in den Rheingau-Taunus-Kreis kamen. „Damals hieß es schnell reagieren, um den jungen Menschen – bis 18 Jahren – ein pädagogisches Angebot zu unterbreiten, damit sie einerseits Deutsch lernen und andererseits den Hauptschulabschluss erwerben können, um bei optimalen Verlauf auch eine berufliche Ausbildung anzuschließen“, berichtet Silke Pauly.

„Die Bildung von acht InteA-Klassen, die Aufnahme von etwa 150 Jugendlichen, für die alles noch fremd war, war eine Belastungsprobe für die Beruflichen Schulen Untertaunus“, erklärt auch Schulleiter Markus Enders, der den Kraftakt mit seinem Lehrerkollegium stemmte. „Wir versuchten homogene Gruppen aus den Jugendlichen, die aus verschiedenen Erdteilen und Nationen zu uns kamen, zu bilden“, ergänzt der Schulleiter. Aber schließlich musste in jenen Tagen rasch etwas geschehen. „Fast jeden Tag standen neue Schülerinnen und Schüler vor unserer Tür“, so Enders.

Integration durch Anschluss und Abschluss – kurz InteA – heißt das Programm des Hessischen Kultusministeriums, mit dem nach Feststellung des Eingangssprachniveaus die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Intensivklassen für Sprachförderung zwei Jahre unterrichtet werden. Dabei begleiten sozialpädagogische Fachkräfte die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Im Programm ist auch vorgesehen, dass den jugendlichen Flüchtlingen durch Sprachunterricht, durch Praktika in Unternehmen und durch die Teilnahme am Fach- und allgemeinbildenden Unterricht Perspektiven auf dem deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt eröffnet werden.

„Es wurde jedoch anfangs die persönliche Situation dieser jungen Menschen nicht ausreichend berücksichtigt. Das ist kein Vorwurf an irgendeinen Beteiligten. Wir mussten alle unter dem Motto ‚Learning by Doing‘, also Lernen in der Realität, unsere Arbeit verrichten. Es galt aber auch immer der Leistungsgedanke“, sagt Silke Pauly, die Mathematik unterrichtet, und weiter: „Und nach dem Unterricht halfen wir dann noch jenen, die unsere Unterstützung dringend benötigten. Da sind die Sozialpädagoginnen ein wichtiges Bindeglied, deren Arbeit wir sehr schätzen.“ Die Erfahrungen der vergangenen Jahre will deshalb auch niemand missen: „Es waren und sind spannende Zeiten.“

Es galt Klassen zu bilden. „Die jungen Flüchtlinge sollten schon zueinander passen, vor allem vom Bildungs- und Leistungsniveau her“, berichten Sabine Wüchner und Rebecca Fink. „In einer Klasse fand sich eine junge Frau wieder, die schon bei der Ankunft in Deutschland ganz genaue Berufspläne hatte. Sie will Ärztin werden und deshalb fuhr sie mehrfach an die Frankfurter Universität, um sich zu informieren, wie ihr weiterer Ausbildungsplan aussieht“, so die Sozialarbeiterin: „Das sind die Menschen, die genau wissen, was sie wollen und das durchziehen. Für diese junge Frau war der Hauptschulabschluss kein Problem.“ Diese Gruppe „will keine einzige Unterrichtsstunde verpassen, ist ehrgeizig und sehr zielstrebig“, so die Erfahrungen.

Doch es gibt auch jene, die sich mit dem Lernen sehr schwer tun, für die das Erlernen der deutschen Sprache eine große Anstrengung bedeutet. „Wer in einer Unterkunft lebt, wo es oft laut und hektisch zu geht, dem fehlt die Rückzugsmöglichkeit. Dann spielt selbstverständlich der unsichere Aufenthaltsstatus eine Rolle, der an den Nerven der Jugendlichen zehrt. Das löst Druck aus. Dass der Jugendliche dann in seinen Leistungen in der Schule nachlässt, ist verständlich“, berichtet Rebecca Fink. In solchen Fällen sind die beiden Frauen von der Schulsozialpädagogik gefragt, die zu vermitteln versuchen. „Wir kümmern uns natürlich um diese speziellen Schützlinge.“

Das Gros der jugendlichen Flüchtlinge konnte Sprachkenntnisse erwerben, die für die alltägliche Kommunikation ausreichen und die so gut waren, dass sie auch den Hauptschulabschluss geschafft haben. Ein Problem sind für viele aber die Fachbegriffe in einem Ausbildungsberuf. „Hier entsteht eine Lücke, weil der Jugendliche die InteA-Klasse verlässt, dann aber selbst entscheiden soll, wie es mit ihm beruflich weitergeht. Mittlerweile erfolgen Beratungsgespräche, etwa mit der Agentur für Arbeit oder dem kommunalen JobCenter“, so Silke Pauly, um berufliche Perspektiven aufzuzeigen. „Dazu braucht es für die schwächeren Schüler auf jeden Fall ein Angebot an weiterführenden Sprachkursen“, ergänzt Rebecca Fink. Die anderen Jugendlichen werden zum Beispiel an Schulangebote der Berufsschulen in Taunusstein oder Wiesbaden weitervermittelt, wo sie den Realschul-Abschluss machen können.

Doch wie fällt die Bilanz des Programmes an den Beruflichen Schulen Untertaunus heute aus. „Das Programm ‚Integration durch Anschluss und Abschluss‘ wurde sicherlich aus der Not der Situation geboren, weshalb es natürlich konzeptionelle Schwächen gab, die wir dann aber in der Praxis des Schulalltags mit bis zu 150 Schülerinnen und Schülern in acht Klassen ganz gut in den Griff bekommen haben. Und auch wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer im laufenden Schuljahr noch dazu kamen, haben wir immer eine gute Lösung gefunden“, sagt Silke Pauly, die auch betont, dass sich die wesentlichen Teile des Konzeptes bewährt haben. „Alle Beteiligten von Seiten des Schulamts bis ins Kultusministerium wissen jedoch, dass es immer wieder Optimierungsbedarf gibt und sind dazu auch bereit. Wir bringen unsere Erfahrungen aus der Praxis mit ein, um daraus das Konzept weiterzuentwickeln.“

Veränderungen sind auch notwendig. Sah es noch im Frühjahr 2019 an den Beruflichen Schulen Untertaunus so aus, dass das Programm wegen der geringen Zahl an Schülerinnen und Schülern ausläuft, so kamen über die Sommerferien doch wieder 12 neue Schülerinnen und Schüler hinzu. „Damit ist der Unterricht in den InteA-Klassen am Standort Berufliche Schulen Untertaunus erst einmal gesichert“, berichtet Silke Pauly.