Geflüchtete Frauen sind im Rheingau-Taunus-Kreis angekommen

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Integration

Beate Gottschall von der Stiftung „Citoyen, Landrat Frank Kilian und Jörg Weber ziehen erfolgreiche Bilanz des Integrationsprojektes „Frauen kommen an“ / Die berufliche Integration im Blick

Beate Gottschall von der Stiftung „Citoyen, Landrat Frank Kilian und Jörg Weber ziehen erfolgreiche Bilanz des Integrationsprojektes „Frauen kommen an“ / Die berufliche Integration im Blick

Es sind die Erfolgsgeschichten von drei Frauen, die aus ihren Heimatländern Syrien, Iran und Afghanistan flüchten mussten, um dem dortigen Terror, Gewalt und Bürgerkrieg zu entgehen. Sara Moder, Baran Saeedi und Sadhna Batra stehen stellvertretend für weitere Frauen, deren Integration in die deutsche Gesellschaft als gelungen bezeichnet werden kann und deren Geschichte nun in einem Film dargestellt wird. Dies ist aber auch die Erfolgsgeschichte eines wohl einmaligen Integrationsprojektes für Frauen, für das der Rheingau-Taunus-Kreis zusammen mit der Stiftung Citoyen aus Frankfurt und dem Land Hessen die Finanzierung übernahm. Gemeinsam begingen Kreis und Stiftung nun nach fünf erfolgreichen Jahren den Abschluss des Projektes „Frauen kommen an“ zur Integration geflüchteter Frauen im Rheingau-Taunus-Kreis.

Die Idee für das Projekt entstand im Rahmen der Erarbeitung der Integrationsstrategie des Rheingau-Taunus-Kreises im Jahr 2016. Dabei gab es eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema „Arbeit und Beruf“ befasste. Damals brachte Jörg Weber die Frage der Kompetenzfeststellung in die Debatte ein. Schließlich waren viele Menschen, die seinerzeit in den Rheingau-Taunus-Kreis kamen, ohne ihre Ausbildungsnachweise nach Europa geflüchtet oder hatten sie unterwegs verloren. Seine Pläne stellte Weber 2016 der Vorsitzenden der Stiftung „Citoyen“, Beate Gottschall, und den -Vorstandsmitgliedern der Stiftung vor. Sie waren vom Konzept – mit einer Präzisierung – begeistert: Frauen sollten in den Fokus gerückt werden. Damals war nur von der Integration der Männer die Rede.

Die Vorsitzende erläutert diese Überlegungen: „Wir wollten die geflüchteten Frauen unterstützen, damit sie zukünftig beruflich auf eigenen Füßen stehen können.“ Der Ansatz wurde übernommen. „Es ging letztlich darum, die traditionelle Frauenrolle in den Herkunftsländern, wie sie den Frauen zugedacht war, zu durchbrechen, damit sie in der neuen Heimat nicht in alte Rollen verfallen, in denen sie hauptsächlich für die Haushaltsführung und die Kindererziehung zuständig waren“, betont Landrat Frank Kilian. Mit dem Konzept verband sich der Wunsch, den Frauen Chancen zur Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung zu eröffnen. „Wir wollten das Selbstbewusstsein der Frauen stärken, damit sie sich in unserer Gesellschaft mit ihren demokratischen Werten zurechtfinden und somit eine bessere Chance auf Integration haben“, ergänzt Beate Gottschall. Insgesamt durchliefen 163 geflüchtete Frauen die Kompetenzfeststellung des Pilotprojektes „Frauen kommen an“ (2016 bis 2020).

Dabei wurden erprobte Verfahren zur Kompetenzfeststellung eingesetzt.“ Zum Beispiel die Hamet-Testung, eine handwerklich-motorische Eignungsfeststellung zur Überprüfung und Förderung beruflicher Kompetenzen, führte ein Team aus ausgebildeten Coaches durch. Daran schloss sich ein Beratungsprozess an, der sich am ProfilPASS orientierte und von einer Reflexion der Berufs- und Lebenserfahrung, der systematischen Ermittlung von Interessen und Kompetenzen bis hin zu einer beruflichen Perspektivplanung und/oder Bewerbung reichte.

Die Biografien der drei im Film gezeigten Frauen unterstreichen, dass es ein beschwerlicher, aber auch erfolgreicher Weg war, den sie beschritten haben. Ihr unbeschwertes Lachen, ihre Freude, die glänzenden Augen und ihr Engagement zeigen, dass sie ihren Platz in der deutschen Gesellschaft gefunden haben, und dass das Projekt erfolgreich war. „Die drei geflüchteten Frauen sind in Deutschland und damit im Rheingau-Taunus-Kreis angekommen“, zieht Jörg Weber stolz eine Bilanz. Frauen, die vor fünf Jahren noch kein Wort Deutsch sprachen, wie auch Beate Gottschall immer wieder betont. Frauen, die sich in einer vollkommen fremden Welt zurechtfinden sollten, die in Unterkünften lebten, wo sie kaum einen Rückzugsort fanden, um in Ruhe die Sprache zu lernen.

Sadhna Batra aus Afghanistan hat die Ausbildung zur Hotelfachfrau inzwischen erfolgreich abgeschlossen und ist in einem Restaurant in Idstein tätig. Sara Moder - aus dem Iran geflüchtet – arbeitet in der Altenpflege. Mit großer Empathie kümmert sie sich um die älteren Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims. Baraan Saeedi, die in ihrem Heimatland ein Unternehmen mit vielen Mitarbeitenden leitete, will als Raumausstatterin tätig sein. Ihre Bewerbungen laufen.

Beate Gottschall und Frank Kilian erwähnten in ihren Beiträgen die Ausgangslage dieser Frauen, die aus Angst um das eigene Leben in ein unbekanntes Land flohen, dessen Sprache sie nicht konnten, wo sie fremd waren. „Ich bewundere diese Frauen. Sie haben Schreckliches erlebt, um dann die Heimat zu verlassen und sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden“, würdigt Beate Gottschall die Leistung. Viele der Frauen aus dem Projekt sprechen inzwischen gut Deutsch, haben die Sprachkurse mit ihren hohen Anforderungen mit Bravour gemeistert.

Von den 163 Teilnehmerinnen des Pilotprojektes zu erreichen, stehen 15 Frauen derzeit in einem festen Arbeitsverhältnis, acht befinden sich in einer Ausbildung, sieben weitere Frauen haben ihre Ausbildung beendet und suchen eine neue Stelle, zehn sind in Deutschkursen, vier sind in der ProJob tätig und 21 durchlaufen momentan ein Bewerbungsverfahren. Hinzu kommen Frauen, die aus persönlichen Gründen derzeit keiner Arbeit nachgehen können. „Diese Bilanz kann sich sehen lassen und spricht für den Erfolg des Projektes“, so Weber, der auch die stets enge und fruchtbare Zusammenarbeit mit der WIR-Koordination im Rheingau-Taunus-Kreis hervorhebt. Landrat Kilian: „Es geht um jeden einzelnen Menschen, dem wir durch solche Maßnahmen bei der Integration helfen können.“

Auf das Pilotprojekt folgte ein zweites, darauf aufbauendes Projekt unter dem Titel „Frauen kommen an: Mentoring/Jobcoaching von geflüchteten Frauen in Ausbildung und Arbeit“, das ebenso erfolgreich war und zum 31. Mai 2021 auslief. Die Finanzierung dieses Modellprojektes erfolgte aus den Mitteln des WIR-Programms des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, durch die Stiftung „Citoyen“ und den Rheingau-Taunus-Kreis. Inhalt des Projektes waren unter anderem die Fortbildung von Mentorinnen und Mentoren im Rheingau-Taunus-Kreis und das Jobcoaching von geflüchteten Frauen in Ausbildung und Arbeit.

Eine Erkenntnis aus der Arbeit mit den Frauen war laut Kerstin Reimers von der Stiftung „Citoyen“ deren fehlende Erfahrung mit Computern. Gemeinsam richtete man ein „Mobiles Computer-Café“ ein. Projektleiterin Dr. Szelecz fand die passenden Dozenten dafür und die Gölkel-Stiftung finanzierte die Durchführung der Kurse und die Tablets „Mit den Computerkursen bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Die Frauen können ihre Fähigkeiten in diesem Bereich erweitern“, so Kerstin Reimers. Drei Kurse in Idstein und Bad Schwalbach konnten bereits erfolgreich angeschlossen werden; weitere in Geisenheim und Waldems sind geplant.

Die beiden Partner, Stiftung „Citoyen“ und der Rheingau-Taunus-Kreis, setzen die erfolgreiche Zusammenarbeit jedoch mit einem neuen Projekt fort, wie Beate Gottschall ankündigte. Das Modellprojekt nennt sich „Frauen kommen weiter – Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und Integration geflüchteter Frauen und Migrantinnen“, das bis 2024 laufen wird. Das Projekt umfasst fünf Module, in denen es unter anderem um Persönlichkeitstraining, Berufsorientierung und die Bedeutung von Demokratie geht. Die Finanzierung erfolgte erneut aus dem WIR-Programm des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, durch die Stiftung „Citoyen“ und den Rheingau-Taunus-Kreis.

Abschließend betonten Landrat Kilian und die Stiftungs-Vorsitzende Beate Gottschall die erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit. Gottschall: „Wir sind stolz auf dieses Projekt!“ Es ist eine sehr gute Partnerschaft entstanden, so Kilian. Nach seiner Kenntnis ist das Projekt „Frauen kommen an“ in seiner Ausrichtung einmalig, weshalb Kilian es anderen Landkreisen und kreisfreien Städten zur Nachahmung empfiehlt. „Wegen des erfolgreichen Verlaufs liefern wir gerne die Blaupause, betont Landrat Frank
Kilian abschließend.

Foto:
Die Vorstandsmitglieder der Stiftung von „Citoyen“ mit Beate Gottschall (links), Landrat Frank Kilian mit Mitarbeitenden der Kreisverwaltung und Projektentwickler Jörg Weber zogen eine positive Bilanz des Pilotprojektes „Frauen kommen an“.

Die Vorstandsmitglieder der Stiftung von „Citoyen“ mit Beate Gottschall (links), Landrat Frank Kilian mit Mitarbeitenden der Kreisverwaltung und Projektentwickler Jörg Weber zogen eine positive Bilanz des Pilotprojektes „Frauen kommen an“.