„Die islamische Welt ist viel­fältiger“

|

Stabsstelle für Frauen und Gleichstellung

Prof. Dr. Susanne Schröter beim Inter­nationalen Frauentag im Kreis­haus / „frei leben – Frauen­rechte stärken“

Prof. Dr. Susanne Schröter beim Internationalen Frauentag im Kreishaus in Bad Schwalbach / „frei leben – Frauenrechte stärken“

„Die islamische Welt ist vielfältiger“, betont Prof. Dr. Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums „Globaler Islam“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, zu Beginn ihres Vortrages und fordert dazu auf, den Islam differenzierter zu sehen und sich detaillierter mit der Geschichte des Islams auseinanderzusetzen. Susanne Schröter war zum Internationalen Frauentag mit dem Titel „frei leben – Frauenrechte stärken“ in das Kreishaus nach Bad Schwalbach gekommen, um über die Rolle der Frau und deren Rechte in verschiedenen islamischen Ländern zu sprechen und konnte mit interessanten historischen – für manche auch überraschenden – Fakten aufwarten. Bereits im 19. Jahrhundert gab es eine Bewegung in Ägypten, die sich für die Rechte von Frauen stark machte, erzählt die Professorin.

In der Mitte der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gründete sich dann aber auch eine Gegenbewegung. So versuchten die neu gegründeten Muslim-Brüder und Muslim-Schwestern die Freiheit der Frauen einzuschränken. Susanne Schröter. „So forderte etwa Zainab al Ghazali von den Muslim-Schwestern: ‚Dient dem Mann – bleibt Zuhause!“ Was nichts anderes bedeutete: die Frau war für den Haushalt, die Erziehung der Kinder zuständig und sollte den Ehemann umsorgen und sich im öffentlichen Leben nicht zeigen. Es ging aber auch anders, wie Prof. Schröter am Beispiel Tunesien zeigt: Schon 1930 formulierte Tahar Haddad in seiner Agenda die Rechte der Frauen. „Tunesien war bei Durchsetzung von Frauenrechten sehr weit voran.“

Aktuell stelle sich die Position der Frauen sehr viel schwieriger und differenzierter dar, betont die Leiterin des Forschungszentrums „Globaler Islam“ und knüpft mit ihren Aussagen an den zuvor gezeigten Film „Private Revolutions – Jung, Weiblich, Ägyptisch“ von Alexandra Schneider an. Der zeigt das Leben von drei jungen Frauen in Ägypten nach dem sogenannten arabischen Frühling, den Revolutionen in Ägypten, Tunesien, Libyen und Marokko, der im Dezember 2010 begann und mit großen Hoffnungen für eine Demokratisierung des politischen Systems in den Ländern verbunden war. Schröters Zwischenbilanz fällt da wenig positiv und optimistisch aus: „Der mit vielen Hoffnungen verbundene arabische Frühling ging schnell in einen arabischen Herbst über und inzwischen befinden wir uns leider wieder in einem arabischen Winter.“

Von Frauen für Frauen erkämpfte Rechte wurden in den Jahren nach den Revolutionen in großen Teilen wieder zurückgedrängt. Schließlich waren viele Frauen auf dem Kairoer Tahrir Platz mit dabei, als der ägyptische Präsident Mubarak gestürzt wurde. „Heute trauen sich viele Frauen nicht mal mehr mit ihren Männern auf die Straßen, weil sie Opfer sexueller Gewalt werden.“ Laut Susanne Schröter ist dies Ergebnis einer patriarchalischen Welt und sozialen Veränderungen in Ägypten. „Vor allem viele junge Männer haben keine Ausbildung, finden keine Jobs und hängen deshalb auf den Straßen herum. Sie sind dadurch aus der ägyptischen, männer-dominierten Gesellschaft ausgegrenzt, weil sie ohne Arbeit, ohne Geld keine Frau finden und keine Familie gründen können.“ Wer aber heiraten will, Kinder haben will, der muss in der ägyptischen Gesellschaft etwas darstellen, vor allem auch die finanzielle Versorgung der Familie übernehmen können.

Diese arbeitslosen jungen Männer fühlten sich aus der Gesellschaft ausgestoßen und machten Frauen mit guter Ausbildung und Jobs für ihre soziale Situation verantwortlich. Diese Entwicklung der Moderne in Verbindung mit der persönlichen, ökonomischen Situation habe zur Folge, dass diese Männer gegenüber Frauen sehr gewaltbereit auftreten. „Dann kommt es oft zu sexuell motivierten, gewalttätigen Handlungen gegenüber Frauen – das sogenannte ‚Antanzen‘ vor allem auf öffentlichen Straßen und Plätzen.“ Diese Form der organisierten Belästigung sei in manchen Stadtteilen Kairos so ausgeprägt, dass sich dorthin keine Frauen mehr trauen. In ihrem Vortrag sprach Prof. Dr. Susanne Schröter auch das Thema „Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen“ an. Laut Susanne Schröter sind in den nordafrikanischen Ländern 91 Prozent der Frauen beschnitten.

Die eindrucksvolle Veranstaltung, die vom Büro für Gleichstellungsfragen und Frauenangelegenheiten im Kreishaus und vom Arbeitskreis Häusliche Gewalt des Rheingau-Taunus-Kreises in Zusammenarbeit mit den Frauenbeauftragten der Kommunen organisiert wurde, hatte Landrat Burkhard Albers eröffnet. Er zeigte sich erfreut, dass es den Organisatorinnen um Rita Czymai und Gabriele Schuster gelungen ist, eine solch hochkarätige Referentin für diesen Tag zu gewinnen. Es werde ein sehr aktuelles Thema angesprochen, das alle anging. Diese Auffassung unterstrich auch Rita Czymai, die betonte: „Es geht um die Stärkung der Rechten von Frauen, die hier leben, aber auch von Frauen, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind.“ Zudem sei es wichtig, Blicke auf die Lebenssituation von Frauen aus anderen Ländern zu werfen.

Über das Leben und die Rechte von Frauen in nordafrikanischen, islamischen Ländern, in denen der „arabische Frühling“ vor zirka fünf Jahren herrschte, berichtete Prof. Dr. Susanne Schröter.