„Deutschland ist ein Einwan­derungsland“

|

Integration

Integrations­strategie I: Dr. Lale Akgün fordert eine offensive Gestaltung des Prozesses / Landrat Albers: Auftakt war sehr vielver­sprechend

Integrationsstrategie I: Dr. Lale Akgün fordert eine offensive Gestaltung des Prozesses / Landrat Albers: Auftakt war sehr vielversprechend

„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, sagt Dr. Lale Akgün, ehemalige Bundestagsabgeordnete und erfolgreiche Autorin, und unterstreicht ihre Auffassung mit Daten und Fakten. Weil dies die unbestreitbare Wirklichkeit ist, müsse daraus der zweite, wirklich notwendige Schritt abgeleitet werden: „Deshalb müssen wir Integration aktiv gestalten!“ Wozu der Rheingau-Taunus-Kreis bereit ist, wie Landrat Burkhard Albers während der Auftaktveranstaltung zur „Entwicklung einer Integrationsstrategie“ immer wieder betont. Rund 170 Gäste waren in die Aula der Nikolaus-August-Otto-Schule in Bad Schwalbach gekommen, um diesen Prozess aktiv mitzugestalten, Ideen und Vorschläge einzubringen. „Mit der Resonanz sind wir mehr als zufrieden“, so der Landrat.

Ihre These, dass Deutschland schon lange ein Einwanderungsland ist und es auch weiterhin bleiben wird, unterstreicht Dr. Lale Akgün mit verschiedenen Argumenten. Schließlich bestehen die Bedingungen für eine Flüchtlingsbewegung weiter fort. Krieg, Terror und Hunger in vielen Regionen der Welt sorgen dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in Europa eine bessere Zukunft für sich und die Kinder zu finden. In den kommenden Jahren käme noch ein ganz wichtiger Grund für eine Flucht hinzu: der Klimawandel. „In der Konsequenz bedeutet das: Deutschland ist ein attraktives Land für Flüchtlinge“, betont Lale Akgün.

So fordert die Referentin, dass Deutschland sich dieser Tatsache stellen muss. „Die Flüchtlinge, die in den vergangenen 24 Monaten gekommen sind, werden auf Dauer bleiben.“ Was wiederum für Lale Akgün heißt: „Deshalb müssen wir die Integration in Deutschland aktiv gestalten.“ Doch bei dem nun dringend geforderten Integrationsprozess gehe es nicht allein um die Flüchtlinge oder Migranten, die bereits seit vielen Jahren in Deutschland leben: „Wir müssen daran denken, auch Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren, die am Rand stehen, etwa Sozialschwache, Hartz-IV-Empfänger, um eine Neid-Debatte zu verhindern.“ So fordert sie auch „eine soziale Integration“; eine alle Milieus mitnehmende, gesellschaftliche Integration der Menschen in Deutschland. Nur wenn sich niemand als Verlierer dieses Prozesses ansieht, kann eine umfassende Integration gelingen.

Nur wer sich als Teil der Gesellschaft empfindet, wer sich verantwortlich für das Gemeinwesen fühlt, wird den Staat tragen und unterstützen. „Wir stehen alle auf dem Spielfeld, erledigen unsere jeweils zugeteilten Aufgaben und tragen dadurch alle gemeinsam zum Erfolg bei. Dieser Gedanke muss sich in den Köpfen festsetzen“, sagt Lale Akgün. Eine Integrationsstrategie soll und muss deshalb alle Menschen umfassen: Einheimische und Zugewanderte. Eine Einschätzung, die Landrat Albers teilt.

Landrat Burkhard Albers wies in seiner Rede darauf hin, dass sich der Landkreis auf den Weg begibt, „eine Integrationsstrategie in einem vollkommen offenen Diskurs – bei vollständiger Transparenz des Prozesses – zu entwickeln“. Dabei ist „eine aktive, rege Bürgerbeteiligung geradezu erwünscht, ja gefordert!“ Albers: „Der Landkreis will damit festlegen, wie sich das Miteinander aller Menschen im Kreis gestalten soll, damit der soziale Frieden in unserer Gesellschaft auf Dauer gestärkt werden kann.“ Um dieses Ziel zu erreichen, sind alle gesellschaftlichen Gruppierungen gefordert, ihren Beitrag zu leisten, neue Ideen zu entwickeln und anschließend auch umzusetzen.

Über die Größe der Aufgabe sei er sich bewusst. Der Kreis komme aber nicht umhin, einen neuen Weg zu gehen, um eine den Rahmenbedingungen geschuldete Integrationsstrategie zu erarbeiten. Gleichzeitig machte Albers deutlich: „Integration ist keine Einbahnstraße, sondern erfordert von beiden Seiten einen aktiven Einsatz und das eindeutige Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaat, Toleranz und den hier in Deutschland gelebten Formen des gesellschaftlichen Miteinanders. Die in unserem Land gelten Regeln müssen anerkannt und toleriert werden.“

Nach den Reden trafen sich die Teilnehmer in sechs Foren (siehe dazu eigenständigen Bericht) zu einem Meinungsaustausch, bei dem drei vorgegebene Fragen im Vordergrund standen. Nach der Auftaktveranstaltung werden Workshops gebildet mit den Themen „Wohnen und Gemeinwesen“, „Bildung und Kultur“, „Arbeit und Beruf“ und „Gesundheit“. Integrationsstrategie des Kreises soll Ende November 2016 dann vorgestellt werden.

Landrat Burkhard Albers im Gespräch mit Dr. Lale Akgün.